Gedichte
von Ferdinand Maks Scheriau
aus Holzminden
scheriau@aol.com



Ich bin ein Fremder hier,

Ich bin ein Fremder hier,
Jedoch,
Ich liebe dieses Land
Am silbersichelbreit gezognen Fluß
Zwischen dem rotsteinern hochgezogenen Wald
Nach Osten
Und löwenhäuptig kalkig Hängen
Gegen Westen hin,
Dem sanften, samtig Himmel über sich,
Madonnenblau,
Und tiefen Wolken weit von Westen
In den Herbst,
Mit seinen Schlössern, Klöstern
Und den eichenhölzern-kernig
Schnitzgefachten, stolzen Bürgerhäusern,
Mit seinen pferdekopfgekreuzten roten Sandsteindächerfirsten,
Dem Milanschrei hoch über seinen Feldern,
Mäusehuschen über dem gepflastert Treidelpfad
Und Reiherflug das Weserufer lang,
Mit Enzian und Frauenschuh unter der Burgruine Everstein,
Oben, birkenhell umstanden, Moor und Bruch
Und Hirsch und Keiler hoch im Forst,
Am Fluß den weitgebogenen Hafenkai
Unter der Brücke,
Vor Kirche, Silo und vor dem Gymnasium
Vor Fährhaus und dem runden Turm.

Ich liebe der Bauschule lebhaftes Treiben
lm Lichthof,
Den Meisterumzug zur Brücke, die obere Straße hinab,
Und die Taufe im Becken des Brunnens,
Mitten am Markt.
Fast beginne ich den Geruch der Duftstoffabriken zu lieben
Die Schornsteine alle der Werke
Für Elektrogeräte und Glas.
Ich liebe den letzten Bauernhof inmitten der Stadt,
Die Parks und die Teiche,
Und ich denke
Ich will hier Wurzeln schlagen
Als ein ein wenig seltsamer Gast aus dem Süden,
Den das Schicksal ganz kräftig
Durch Europa,
Durch dessen Monarchien, Republiken und Reiche
Gezogen, geschleppt und gejagt hat
Ein gerütteltes Maß von Jahrzehnten
Und sicher habe ich selbst mich,
Mit Spaten und Zirkel und Maßstab,
Mit Säbel, gespornt und gesattelt
Durch die Geschichte des Abendlandes
Zwischen Slovenien, Kärnten, Moskau und Vichy,
Karlsruhe und Köln
Herumgezerrt,
Hier in Holzminden
Mehr zufällig,
Traumwandlerisch und ein wenig verwundert
Oben an der Hasenrecke
Wiedergefunden.

Wir haben da ein Haus gebaut,
Meine Frau, meine Kinder und ich,
Uns ein Paradies geschaffen
Am Hechtgraben
Voller Blumen und Bäume und Wein aus dem Süden
Haben die Kinder großgezogen,
Sie aus dem Haus gehen sehn,
Und dann ist ihre Mutter, meine Frau gestorben,
Und sie liegt jetzt
Unter den Birken am Friedhof in Altendorf

Wo will ich noch hin?
Und warum?
Ich habe meine Heimat gefunden.

FMS
271194
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zuletzt aktualisiert am/ date de la dernière actualisation/ last update at 05.05.2004
Erstellt von Rüdiger Scheriau
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